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PDF: Kolja Nikolai – Blade Noir
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Blade Noir
Wir schreiben das Jahr 2357. Die Erde ist verstrahlt und zerstört. Die Roboter kämpfen gegen die Aliens. Die Aliens gegen die Mutanten. Die Insekten gegen die Riesenhaie. Tief, tief unter der Erde lebt der letzte Rest der Menschheit, der zur einen Hälfte aus kranken und schwachen Armen, Alten und Kindern besteht und zur anderen Hälfte aus jungen, hübschen Schauspieler. Der klassische Querschnitt der Gesellschaft eben.
Ich bin Teil der letzten Spezialeinheit. Außer mir sind da noch Scarlett Johansson, die als einzige keinen krassen Schutzanzug trägt, sondern Hotpants und sehr enges, rotes Top – warum eigentlich? Egal. Geil! – dann ist da noch ein nerdiger Hacker und ein cooler Schwarzer, der voll den krassen Slang drauf hat und das Herz am rechten Fleck. Und ich. Wer ich bin? Niemand weiß, wer ich bin. Die anderen wissen nicht, wer ich bin. Ich weiß nicht, wer ich bin. Verdammt, wer bin ich? Egal.
Plötzlich bricht ein riesiger Bohrkopf durch die Wände. Sie haben uns gefunden!
Actionszene. Actionszene. Actionszene.
„Oh nein, sie haben den netten Schwarzen mit dem krassen Slang und dem Herz am rechten Fleck getötet! – Egal!“
Actionszene. Actionszene. Actionszene.
Ich bin getroffen – und es ist mehr als nur ein Streifschuss. Das Blut rinnt durch meine Finger, erinnert mich an das bittersüße Geschenk des Lebens. Was für ein liebreizendes Gift aus Hoffnung, Tränen, Träumen und Leiden. Egal. Ich rette noch ein Baby und dann graben wir uns noch tiefer in die Erde. Es wird immer heißer. So heiß, Scarlett muss ihr Top ausziehen. Geil!
Actionszene. Actionszene. Actionszene.
„Du blutest ja?!“, sagt Scarlett.
„Ja“, sage ich, „hat aber irgendwie keine Konsequenzen…“
Scarlett zerreißt ihre Hotpants, um meine Wunde zu verbinden.
„Hier blute ich auch.“, sage ich.
Scarlett zerreißt ihren Tanga.
„Ich liebe dich.“, sage ich.
„Ich liebe dich auch.“, sagt sie. Ihr warmer Körper schmiegt sich an mich wie der Regen an die Nacht, wie die Brandung an eine Steilklippe, wie die Süß-Sauer-Soße an ein ChickenMcNugget. Mein Schwanz wird so groß und steif wie eine Oboe. Scarlett Johansson spielt auf ihm Beethovens neunte und für einen kurzen Moment vergesse ich, wer ich bin. Ach verdammt, ich weiß ja gar nicht, wer ich bin. Egal.
Actionszene. Actionszene. Actionszene.
Wir haben einen Robotermutantenhai gefangen genommen. Der Hacker ist ganz außer sich: „Wir müssen ihn degenerieren, reprogrammieren, kompilieren, fragmentieren, akupunktieren, suspendieren, ausquartieren, buchstabieren und kompilieren – … egal – und dann kann er uns bestimmt sagen, wer du bist und wieso die Aliens alle Nike-Schuhe tragen.“
„Das dauert zu lange. Schließ meine neuronalen Hypertransmitter an seine Laser-Globbel-Wobbel. I am going in.“
„Nein“, ruft der Hacker, „das es ist viel zu gefährlich.“
„Das hat noch nie jemand zuvor gemacht!“, ruft Scarlett.
„Und es ist illegal.“, sage ich und wir schauen uns an und sagen alle gleichzeitig: „Egal.“
Actionszene. Actionszene. Actionszene.
Ich wache wieder auf und ich weiß jetzt: „Ich bin gar kein Mensch, ich bin ein Clon!“
„Das würde auch deinen dritten Arm erklären.“, sagt der Hacker.
„Und dein drittes Auge.“, sagt Scarlett.
„Und dein drittes Bein.“
„Und deine Fischhaut.“
„Dass uns das nie vorher aufgefallen ist?!“, sage ich, „Egal.“
Actionszene. Actionszene. Actionszene.
Wir haben den Erdkern erreicht. 10.000 Roboter, eine Million Mutanten, hundert Milliarden Haie und hunderttausend Millionen Milliarden tausend Insekten haben uns umzingelt und wir haben nur noch eine einzige Patrone.
„Gib sie mir.“, sage ich.
„Nein.“, sagt Scarlett und fängt an zu weinen.
Ich nehme die Patrone und lade mein Lasergewehr, das jetzt plötzlich Patronen braucht.
„Versprich mir nur eins:“, sage ich, „Schlafe nie wieder mit einem anderen.“
„Öh…“
„Ja?“
„Hm.“
„Wirst du das tun? Für mich?“
„Naja…“
„Danke.“
Ich lade meine Waffe noch einmal durch – anscheinend hat sie sich inzwischen wieder entladen – und dann ich gehe ihnen entgegen. Ich bin sowieso schon lange tot.
Cut.
Blauer Himmel. Die Sonne scheint. Scarlett Johansson steht in der Wüste. Sie bückt sich nach einem zarten grünen Pflänzchen, das zwischen den Trümmer sprießt. Plötzlich tauchen noch ein paar andere junge, hübsche, weiße Menschen auf, nein Moment, wieder ist genau ein schwarzer dabei. Alle lächeln.
Happy End